Sonntag, 15. Juli 2007

Ludmilas falsche Hingabe

Wenige Tage nach jenem Abend mit meinem alten Freund denke ich über Intimität und Hingabe nach und komme dabei wieder auf jene ukrainische Studentin, an die mich die Kellnerin so sehr erinnert hatte.

Es war eine kurze, aber intensive Romanze mit jähem Ende. Ich würde sagen, dass wir verliebt waren, liefen Arm in Arm durch die Stadt, rannten lachend wie Kinder durch den prasselnden Regen, rissen uns zuhause die nassen Klamotten vom Leib und genossen intensivste Berührungen. Kein Millimeter, kein Winkel ihres wunderschönen Körpers blieb mir verborgen, und zwischen uns passte kein Blatt Papier mehr, wenn wir erschöpft zusammen einschliefen. Wenn meine Wohnungstür ins Schloss fiel, gab es nur noch unsere kleine Welt und unsere Lust aufeinander.

Aber da es die Welt da draußen für uns in diesem Momenten nicht gab, teilten wir auch nichts davon miteinander. Erst wenn die Müdigkeit größer war als die Lust, hielten wir inne und sprachen auch mal wieder. Und allmählich lernte ich etwas über ihr Verhältnis zur Welt. Und so lernte ich auch, wie fern wir uns in Wahrheit waren. Ihr Hass auf Homosexuelle, überhaupt auf jegliche unkonventionelle Lebensart, widerte mich an. Aber noch mehr erschütterte mich ihr widersprüchliches Weltbild, das so wirkte, als sei es einem gewöhnlichen Porno entsprungen. Ja, natürlich habe sie mal Sex mit einer Frau gehabt und es sei schön gewesen. Aber Sex unter Männern? Igitt! Ich zeigte ihr meine Verwunderung über ihre moralischen Doppelstandards. Aber sie hatte kein Einsehen, im Gegenteil. Sie sagte, sie müsse nun an ihren französischen Ex-Freund denken, der sie irgendwann für einen Mann verlassen habe.

Ich wollte immer noch an sie glauben und war der Ansicht, sie müsse geistig noch im Westen ankommen (was, zugegeben, selbst manchem gebürtigen Alteuropäer noch nicht gelungen ist). Vor allem dachte ich, dass unsere Zuneigung zueinander eine Brücke bauen könnte zwischen unseren unterschiedlichen Ansichten. Als ich unser Abendessen zubereitete, musterte sie mich argwöhnisch. „Ich hatte noch nie einen Mann mit so schmalen Schultern.“ Da flogen sorgsam vergiftete Pfeile, die mich treffen sollten, doch ich musste einfach nur lachen und konnte nicht anders als mit spöttischer Ironie zu kontern: „Nun, bei mir ist die Energie eben ins Gehirn und in die Lenden gegangen.“ Ich setzte mich wieder zu ihr aufs Bett und lächelte sie an, doch ich erntete nur einen skeptischen, eher ablehnenden Blick.
„Weder Dein Hirn noch Dein Schwanz scheinen mich zu mögen. Ich gebe alles aber ich scheine Dich nicht richtig anzumachen.“
„Wie kommst Du darauf?“
„Ach, ich fühle das! Und ich merke langsam, wie Du bist. Du bist auch so ein halbschwuler Franzose!“

Ludmilas-Metamorphose

Ihren Körper hatte sie mir längst dargeboten, doch nun sah ich ihre innere Nacktheit und was ich sah, gefiel mir nicht. Mir ging ein Licht auf. Ich hatte es verdrängt angesichts der insgesamt doch sehr lustvollen Stunden mit ihr, aber da war ein Makel, von Anfang an. Oft konnte ich mich bei ihr nicht richtig gehen lassen. Da waren kurze Momente, in denen ich mich wunderte, wie wenig ich fühlte, als dieser sehr reale feuchte Traum eines Frauenkörpers sich mit meinem vereinigte. Ja, sogar das körperliche Gefühl schien dann befremdlich gering. Da war dieser kalte, aufgesetzt wirkende Pornoblick ihrer Augen. Mir war, als hätte ich ihn nun entschlüsselt: Ich bin die Frau, Du bist der Mann und Du besorgst es mir mit Deiner erbarmungslosen männlichen Härte und ich will Deinen Saft überall haben, weil es Dir gefällt und weil das meine Rolle ist – das gute Mädchen, das im Bett zum Luder wird und es Dir besorgt, indem es Deinen Schwanz und Dein Gehirn mit seiner Verderbtheit fickt.

Da war keine Hingabe. Es war wohl nur ihre Rolle, von der man ihr gesagt hatte, dass sie sie so auszufüllen habe. Sie hatte offenbar Spaß an Sex, weil er ihr unmoralisch und schmutzig erschien. Und so konnte sie sich nichts anderes vorstellen, als dieses Luder zu sein. Ein geiles Luder, das von einem starken Kerl gebumst wird. Ja, von einem starken, harten Kerl und nicht von einem Weichling, der sich morgens eincremt und der schwule Freunde hat.

Dieser Gedanke nahm in meinem Kopf nur langsam Gestalt an, unterdessen ging es mit uns noch einige Tage weiter. Aber alles lief nun auf eine Eskalation hinaus und letztlich endete unser Kontakt mit einem Telefongespräch, in dem sie nur noch Hasstiraden für mich übrig hatte. Derweil waren noch andere Dinge zwischen uns schief gegangen, aber mein größter Fehler war aus ihrer Sicht wohl, dass ich einfach nicht so war, wie nach ihrem Weltbild ein Mann zu sein hatte – und dass sie mir in ihrer Rolle nicht mehr gefiel.

Was bleibt, ist die Erinnerung an sehr intensive, sehr dichte Stunden, in denen es nur noch Zweisamkeit gab, das wunderbare Gefühl von Haut auf Haut und der engumschlungene, sanfte Fall in den Schlaf. Diese Momente waren ein Genuss, auch wenn nun ein Schatten auf ihnen liegt, denn unter dieser hübschen Hülle lag ein Geist, der einer flachen Einöde glich.
Und ich werde nie mit letzter Gewissheit sagen können, ob sie all diese Dinge, die mir so viel Lust bereiteten, nur zur Erfüllung ihrer Rolle als willfährige Gespielin tat, oder doch – zumindest am Anfang - mit ehrlicher Hingabe.

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